Neulich auf einer Party. Man kennt sich nicht. Irgendwann kommt zwangsläufig das Gespräch auf das Thema Job. Doch, anstatt sich einfach zu erzählen, womit man seine Brötchen verdient, machen wir ein Ratespiel. Wir verraten lediglich gewisse Merkmale unseres Berufs und lassen unser Gegenüber einfach raten.
Frage meines Gegenübers: „Worauf kommt es in Deinem Job an? Was musst Du mitbringen?“
Ich: „Prozesshaftes Denken, Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke, gute Beobachtungsgabe, schnelle Entscheidungen, besonders in Notfällen, Verantwortung für das Leben anderer, Kritik- und Konfliktfähigkeit, Bereitschaft tags, nachts und an Wochenenden zu arbeiten, Belastbarkeit, psychisch wie physisch, Ruhe ausstrahlen und natürlich Geduld haben.
Gegenüber: „Aha, ich schätze mal, Du bist entweder Fluglotse, Pilot, oder irgendwas in der Wirtschaft. Vielleicht selbständig?“
Ich (grinsend): „Nicht ganz. Ich bin Altenpfleger.“
Wir wünschen uns endlich mehr Anerkennung und Respekt für Pflegekräfte
Zugegeben, mit dem Altenpflege Job werden meist ganz andere Eigenschaften in Verbindung gebracht. Zumindest war es in der Vergangenheit so und erst in den letzten Monaten hat man das Gefühl, dass sich in der Gesellschaft etwas tut, was uns Pflegekräfte in ein neues Licht rückt. Maßgeblich daran beteiligt ist auch, man höre und staune, die Politik.
Die Pflegestärkungsgesetze, der aktuelle Koalitionsvertrag und ab 2020 die neu geregelte Pflegeausbildung sind derzeit in aller Munde. Ob diese Maßnahmen auch tatsächlich spürbare Veränderungen bewirken sei mal dahingestellt. Wichtig ist: Pflege steht zumindest kurzfristig im Fokus der Öffentlichkeit. Zumindest einmal, bis zur nächst größeren Regierungskrise bzw. bis zu dem Moment, in dem ein gewisser Herr Tr. aus den USA mal wieder seinen geistigen Dünnpfiff twittert.
Diese Chance sollten wir Pflegekräfte nutzen und uns einmal Gedanken darüber machen, wie wir selbst uns und unseren Beruf in der Öffentlichkeit darstellen. Dass die Pflege in den vergangenen Jahren nicht die Anerkennung bekam, die sie verdient, liegt nicht allein an der Vernachlässigung durch die Politik, sondern auch an unserer eigenen Außendarstellung.
Natürlich haben wir keinen einfachen Job. Wir haben belastende Arbeitszeiten und zum Teil ein Altenpfleger Gehalt, das den Begriff nicht verdient. Wir werden mit Bürokratie bombardiert, müssen gesetzlichen Anforderungen entsprechen, die sich mit der Realität nur schwer vereinbaren lassen und mindestens einmal im Jahr müssen wir uns einer Prüfung stellen, durchgeführt von Kolleginnen und Kollegen, die der tatsächlichen Pflege den Rücken gekehrt haben, warum auch immer.
Und genau so sollten wir uns darstellen. Wir haben einen Berg an Aufgaben, den wir, trotz Zeitmangel, jeden Tag und immer wieder bewältigen. Und wir bewältigen ihn, betrachtet man die Umstände, ganz ausgezeichnet. Und genau darauf sollten wir stolz sein. Und genauso stolz sollten wir darüber berichten. Wenn wir mehr Anerkennung möchten, dann sollten wir mal damit beginnen, dass wir selbst anerkennen, was für einen geilen Job wir machen. Jeden Tag!
„Sie sind Altenpfleger. Das ist sicher schwer, oder?“
„Klar ist das schwer. Deswegen mach ich es ja. Kein Tag ist wie der andere und fast nichts ist vorhersehbar. Und wenn du mal so richtig im Stress bist, steht der MDK vor der Tür und will deine Qualität überprüfen. Und weißt Du was? Auch das kriegen wir gewuppt. Ohne Hektik, ganz ruhig und mit bedacht.“
Fundierte Ausbildung – Der richtige Mix aus Herz und Verstand
Wenn es nur darum ginge, einen Menschen zu waschen und anzuziehen, dann ließe sich das wohl an drei bis vier Wochenenden erlernen. Doch die professionelle Altenpflege ist bei weitem mehr. Und wer glaubt, dass nach drei Jahren Ausbildung das Lernen ein Ende hat, der liegt eindeutig falsch. Wichtige Faktoren, wie Routine, Erfahrung, Beobachtungsgabe erarbeitet man sich erst im Laufe der Zeit, und zwar, nach der Ausbildung.
Der Autor wagt zu behaupten, dass die Altenpflege Ausbildung den Menschen stärker verändert und prägt, als viele andere Berufe. Sie öffnet Augen und Geist gleichermaßen. Sie verändert die eigenen Ansichten über Leben und Sterben und sie vergegenwärtigt uns unsere eigene Endlichkeit. Wer sich darauf einlässt, hat das Zeug zu einem richtig guten Altenpfleger.
Doch es kommt nicht nur darauf an die schulischen Inhalte zu pauken. Anatomie, Krankheitslehre, Neurologie, Pflegewissenschaft und und und… das alles sind wichtige Bestandteile der theoretischen Ausbildung, die gelernt werden müssen. In der Praxis dagegen erlernt man, wenn man so will, das Handwerkszeug.“ Die Kunst besteht hier darin, den pflegebedürftigen Menschen nicht auf seine Krankheitsbilder und seinen Hilfebedarf zu reduzieren, sondern ihn als Menschen zu betrachten, der seine eigene Biografie, sein eigenes Leben hat.“
Vor kurzem habe ich eine ehemalige Kollegin gefragt, wie es ihr in ihrem neuen Job gefällt. Die Antwort: „Super. Wir haben 10 insulinpflichtige Diabetiker, davon 3 Demente, 5 Läufer, davon 2 mit Parkinson, 4 Bettlägerige und 2 Selbständige.“
Aha. Klingt ja spannend. Beziehungen gestalten sich so sicherlich nicht.
Wer mich nach „meinen“ Bewohnern fragt, kann sich auf eine geballte Ladung Biografie und zahlreiche Anekdoten gefasst machen. Natürlich ist es mein Job, mich um diese Menschen zu kümmern. Und gerade deshalb kann und will ich es auch gar nicht verhindern, dass sich Beziehungen aufbauen. Ich verbringe einen Großteil meines Lebens mit den uns anvertrauten Menschen. Sie sind Teil meines Lebens, und ich bin Teil ihres Lebens – unter Umständen sogar die Person, die sie im Sterben begleitet. Welch eine Ehre…für mich.
Altenpflege ist ein „geiler“ Job.